Warum Manuelle Festbrennweiten?

Der Einsatz von klassischen manuellen Objektiven an modernen DSLRs ist seit einiger Zeit ein Geheimtip unter Künstlern und Anhängern der Fine Art Photografie. Viele dieser Objektive stammen aus einer Zeit, in der Autofokus noch unbekannt war. Objektive wurden damals auch nicht in großen Fabriken in Malaysia oder China als Massenware fabriziert sondern eher in Manufakturen in Japan, Deutschland oder anderen hochindustrialisierten Ländern mit entsprechenden Qualitätsstandards gefertigt. Und das sieht und spürt man. Jeder, der schon einmal den seidenweichen Lauf des Fokusrings eines alten Nikkors bewegt hat, weiß wovon ich rede. Das Gehäuse ist in der Regel aus Metall gefertigt, die Linsen aus Glas.

Aber warum ist es eigentlich sinnvoll, alte manuelle Objektive an modernen Digitalkameras einzusetzen? Dafür gibt es gute Gründe:

Feinmechanische Präzision in Vollendung: das 35/1,4 AIS

Das langsame, bedachte und kreative Bildgestalten benötigt keine Plastik-„Superzooms“, sondern solide und leistungsstarke Festbrennweiten.  Der weiche und präzise Lauf des Entfernungseinstellringes eines manuellen Objektives ermöglicht eine bewusste Entscheidung für eine bildgestaltende Schärfenebene.
Durch die unübertroffene mechanische Qualität vieler alter Nikkore wird Digitalfotografie zum haptischen Erlebnis, das an die Zeiten der mechanischen Kameras erinnert (mehr dazu lesen sie hier).
Zudem bieten die alten Festbrennweiten meist eine deutlich bessere Abbildungsleistung als billige Zooms. Warum das so ist? Überlegen Sie mal, wieviel mechanische Teile ein Autofokus(!)zoom(!)objektiv mit VR-Bildstabilisierung(!!!) wohl hat. Alle diese Teile, viele davon aus Kunststoff,  haben gewisse Fertigungstoleranzen, die sich mitunter multiplizieren. Kein Wunder, dass da nach einiger Zeit öfter mal was wackelig wird. Bei einer manuellen Festbrennweite gibt es das alles nicht, denn da ist die  Mechanik sehr überschaubar. Und meist wie „aus dem vollen gefräst“. Diese Stabilität und Robustheit ist eine herausragende Eigenschaft der manuellen Nikon-Objektive. Zudem profitiert die Sucherbildhelligkeit von der meist höheren Lichtstärke, mit der sich auch präzise scharfstellen lässt. Welche Bildqualität die alten Linsen bieten, habe ich schon in Vergleichstests ausprobiert. So zum Beispiel bei 28mm-Weitwinkelobjektiven und 200mm-Teles.

Ideal für HD-Filme im Videomodus

Manuelle Nikon-Objektive sind ideal zum Filmen mit DSLRs geeignet: hohe Lichtstärke für geringe Schärfentiefe, leise und sehr präzise Fokuseinstellung. Aus diesem Grund sind einige wenige noch immer im aktuellen Nikon-Programm und weiterhin neu bestellbar.  Aber bekommen Sie keinen Schreck, denn bei Nikonclassics bekommen Sie diese guten Stücke – leicht gebraucht – um ein vielfaches günstiger.

Das kompatible Nikon-Bajonett

manuelles Nikkor an der D3

Dank des seit 1959 im Wesentlichen unveränderten Nikon-F-Bajonettes lassen sich die guten alten Objektive auch an den modernen Digitalen Nikons verwenden. Ein paar Einschränkungen gibt es natürlich: Ein manuelles Objektiv hat naturgemäss keinen Autofokus, die meisten DSLRs verfügen aber über eine elektronische Scharfeinstellhilfe im Sucher. Programm- und Blendenautomatik funktionieren mit den allermeisten manuellen Objektiven nicht. Aber mit AI/AIS-Nikkoren ist Innenmessung, Zeitautomatik und Matrixmessung (auch TTL-Blitzmessung) bei den digitalen Nikons D4, D800, D7000, D700, D600, D300, D200, D3-, D2- und D1-Serien sowie der Fuji S5 pro weiterhin möglich. Auch die EXIF-Daten stimmen: im Menüpunkt „Objektivdaten“ werden diese einmal eingegeben und dann werden sowohl in den Bilddaten als auch im Sucher die richtigen Werte angezeigt.

An den Nikon DSLRs ohne AF-Motor können AI/AIS- und auch die alten non-AI-Objektive im rein manuellen Modus ohne Innenmessung verwendet werden. Die Mittelklasse-Modelle  wie D90 oder D50 können zwar mit Ai/Ais-Objektiven, nicht aber mit ganz alten NonAi-Objektiven verwendet werden.
Mehr dazu hier.

Was ist besser, AI oder AIS?

Für Digitalkameras und auch für die analogen EM-, FM-, FE-, F2-, und F3-Serien ist es ohne Bedeutung, ob Sie ein AI- oder ein AIS-Objektiv verwenden. Der Unterschied liegt in einem veränderten Blendenmechanismus, der bei den AIS-Objektiven eine feinfühlige Steuerung der Blendenöffnung durch die Kamera zulässt. Diese Modifikation wurde 1983 mit Einführung der Nikon FA notwendig, welche neben Zeitautomatik und Nachführmessung erstmalig auch Blenden- und Programmautomatik bot.
Mehr dazu hier.

6 Gedanken zu „Warum Manuelle Festbrennweiten?

  1. Ulrich GünterBoldt

    Danke für diese tolle website. Ich arbeite seit 40 Jahren mit NIKON Kameras, und ich habe eigentlich fast alles von Nikon besessen, ausser den extrem teuren „Tüten“. Ich verteidige gegenüber meinen „Kollegen“ immer das NIKON-System, das unübertroffen über Jahrzehnte das Bajonett beibehalten hat, bis heute verwendbar an meinen D700 und D800 Gehäusen. Mit zunehmendem Alter geht mir leider das Gewicht der Kameras und Objektive (speziell der lichtstarken Zooms wie 24-70 und 70-200) „auf den Keks“ und ich werde nach den guten Tips von Ihnen auf Df und 3-4 Festbrennweiten, z.T AIS (die ich eigentlich noch besitze) umsteigen. Vielen Dank für Ihre tolle Seite. Moin, moin aus Lübeck

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  2. Randle P. McMurphy

    Der erzieherische Vorteil von Festbrennweiten ist Frau/Mann macht sich vor
    dem Geknipse Gedanken wie das Ergenbis aussehen soll und nicht hinterher.

    Der Gipfel der Faulheit gesteigert durch digitales Vollformat
    ist dann fotografieren und später den „Ausschnitt“ festlegen.

    Das sind keine Vorurteile sondern Erfahungswerte !

    Festbrennweiten schulen auch das Sehen und damit die Wahrnehmung.
    Möglicherweise sind deshalb die Bilder auch „besser“ ?

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  3. erich j. schimek

    …auch von mir Danke für die tollen sites.

    Um auf die Aussagen von „Ulrich Günter Boldt“, zu reagieren. Bei mir werden es nun auch schon ü b e r 50 Jahre mit Nikon, leider wird auch bei mir das Gewicht zum Problem, da ich immer noch viel für den Denkmalschutz arbeite. Werde mich aus diesen Gründen ähnlich wie „Boldt“, entscheiden, da Nikon 1, ja keine Alternative.

    Liebe Grüsse aus dem verschneiten Wien

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  4. Monika Belting

    Hallo Herr Michalkes,
    ich habe mir vor einer Woche die Nikon D750 gekauft. Verwende u.a. das Zoom Nikkor ED 80 – 200 1:2,8, im Menüpunkt „Objektivdaten“ ist es nur möglich eine Brennweite einzugeben (ich habe 80 mm eingetragen). Besteht noch eine weitere Möglichkeiten der Eingabe??
    Da ich häufig Porträts fotografiere habe ich mich für die Spotmessung entschieden, ich schaue nur durch das Sucherokular. Bin aber sehr unzufrieden mit der Schärfe der Fotos.
    Im Voraus besten Dank für Ihre Unterstützung.
    Monika Belting

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    1. Nikonclassics Artikelautor

      Hallo Frau Belting,
      Sie können im Menü der D750 nur EINE Brennweite eingeben. Aber ich nehme an, Sie haben nicht das schwere und seltene AIS-Objektiv, sondern den Nachfolger mit Autofokus. Da brauchen Sie nichts ins Menü eingeben, das macht die Kamera automatisch.
      Viele Grüße,
      Norbert Michalke

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    2. Randle P.McMurphy

      „Unschärfe“ ist ein Fehler mit vielen Ursachen und die wenigsten haben mit schlechter
      oder mangelhaften Ausrüstung zu tun.
      Ein 80-200er bei Offenblende und 1/60 aus der freien Hand fotografiert und dann soll
      der Autofokus nicht stimmen weil die Augen unscharf sind ?
      Ich mache selbst privat sehr gerne Portraits und nutze die Vorteile längeren Brennweiten
      oder hochlichtstarker 50er aber bei der hauchdünnen Schärfentiefe verwende ich immer
      ein Stativ und die manuelle Scharfstellung über Liveview !

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