Nikon F4 – das Arbeitspferd der Neunziger

Nikon F4s

F4s mit Batterieteil MB-21 und Zoom-Nikkor 70-210/4 AF

Als ich 1989, im Jahr des Falls der Berliner Mauer,  das erste Mal eine Nikon F4 in die Hand nahm, war ich begeistert. Sie lag trotz ihres etwas höheren Gewichtes auf Anhieb viel satter und angenehmer in der Hand als meine bisherigen F3 und FE-2-Nikons. Und das Arbeiten damit war ein Traum. Kein Wunder, denn die Nikon F4 war für ihre Zeit revolutionär. Sie war:

  • die erste Profikamera der Welt mit Autofokus.
  • die erste Profikamera der Welt mit eingebautem Motorantrieb.
  • die erste Profikamera der Welt mit moderner Matrixmessung.
  • die erste Profikamera der Welt mit Zeit- Blenden- und Programmautomatik.

Mit dem Batterieteil MB-20 wird die F4 sehr kompakt.

Mit dem Batterieteil MB-20 wird die F4 sehr kompakt.

Dem damals noch verpönten Autofokus stand ich zwar (wie viele meiner Kollegen) anfangs skeptisch gegenüber, aber das legte sich rasch, denn er arbeitet perfekt . Die F4 verfügt nur über einen einzigen AF-Sensor in der Bildmitte, was zwar gegenüber heutigen Kameras etwas ungewohnt ist. Das grosse und helle Sucherbild wird dadurch jedoch sehr übersichtlich, da keine störenden Markierungen vorhanden sind. Die Bedienungselemente sind genau da, wo man sie braucht: keine Displays, keine Menüs, durch die man sich erst mal durchwühlen muss. Ein logisch aufgebautes Bedienkonzept mit traditionellem Verschlusszeitenrad und klar definierten Hebeln und Knöpfen, die ergonomisch angeordnet an genau den richtigen Stellen zu finden sind.

Die Nikon F4 wurde (neben der Hasselblad) mein treuer Begleiter im Fotografenalltag der neunziger. Ein großer Vorteil ist die wählbare Größe: mit dem kleinen Batteriehandgriff MB-20 für vier Mignonzellen wird die F4 zu einer fast kompakten Kleinbildkamera.  Die größeren Handgriffe MB-21 (F4s) und MB-23 (F4E) verwenden sechs Mignonzellen für einen schnelleren Motorantrieb mit fast 6 Bildern/Sekunde und bieten einen sehr praktischen zuschaltbaren Hochformatauslöser sowie einen Fernauslöseranschluss und einen Batterietestknopf.

DSC_8145Erstmals war der Sucher einer Profi-Nikon auch stabil genug, um noch ein schweres Blitzgerät darauf zu befestigen. Der SB-24 sowie die nachfolgenden Modelle arbeitet mit der F4 perfekt zusammen, wobei die erstmals bei einer Profi-Nikon realisierte 1/250 Synchronzeit das Blitzen bei Tageslicht erleichtert. Die zuschaltbare Innenbeleuchtung des Suchers macht die Einstellungen auch bei schwierigen Lichtverhältnissen zum Kinderspiel.

Die an der Nikon F4 verwendbaren Objektive sind vielfältig: AF- und AF-D-Typen aus den neunzigern funktionieren natürlich tadellos, ebenso wie die für die F3AF konstruierten Spezialobjektive und der TC-16A Autofokus-Konverter. Aber auch die späteren AF-S-Nikkore sind verwendbar. Die gibt es zwar erst seit 1996, aber weitblickende Nikon-Ingenieure hatten die notwendigen Softwarefunktionen bereits in der F4 eingebaut. Mit den modernen G-Objektiven  lässt sich allerdings nur im Programm- und Blendenatomatikmodus arbeiten, denn sie haben keinen manuellen Blendenring. Leider funktionieren die seit 2016 gebauten E-Nikkore an der F4 nicht, auch die VR-Funktion wird nicht unterstützt.

DSC_6673Aber manuelle Objektive der AI- und AIS-Reihe sowie der Series E lassen sich an der F4 in vollem Umfang sogar mit Spot- und Matrixmessung verwenden. Dazu empfehle ich eine Einstellscheibe mit Schnittbildindikator (Typ K), aber auch die Fokussierhilfe im Sucher hilft, wenn mit der Standardscheibe gearbeitet wird. Die ganz alten nonAI-Nikore aus den sechzigern lassen sich ebenfalls verwenden, allerdings nur mit Gebrauchsblendenmessung. Dazu wird am Bajonett die Belichtungsmesserkupplung entriegelt und hochgeklappt.

Aber noch ein paar weitere Finessen bauten die Nikon-Ingenieure in diese Kamera ein. Zum Beispiel einen Sensor, der erkennt, ob die Kamera im Hoch- oder Querformat verwendet wird und dementsprechend das Programm für die Matrix-Messung aktiviert. Vier kernlose Motoren, die neben dem Filmtransport auch die Verschlussfunktionen und die Spiegelbewegungen erledigen sowie für Autofokus und Filmrückspulung sorgen. Diese kann im Notfall allerdings auch manuell mit Hilfe der traditionellen kleinen Kurbel erfolgen. Praktisch auch die automatische Verriegelung des Blitzgerätes im Sucherschuh mit Hilfe eines ausfahrbaren Stiftes.

Für die F4e gab es auch austauschbare Akkus.

Für die F4E gab es auch austauschbare Akkus.

Die Nikon F4 war von ihrer Einführung 1988 bis zur Ablösung durch die F5 (1996) die Standardkamera für Bildreporter und Sportfotografen. Damals musste man über 4000,– DM für eine F4 berappen, heute ist sie für vergleichsweise kleines Geld auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich. Dabei gibt es allerdings ein paar wichtige Dinge zu beachten.

Da es sich ja um eine ausgesprochenen Profikamera handelt, sind bei vielen Exemplaren deutlich sichtbare äussere Gebrauchsspuren vorhanden. Bei diesen Kameras ist natürlich mit einem früheren Ableben durch stärkeren Verschleiss zu rechnen. Suchen Sie sich also beim Kauf lieber ein gut erhaltenes Stück aus. Achten Sie auf zwei typische Probleme der F4:

  1. die im Sucher sichtbaren LCD-Displays leiden manchmal unter kleinen blitzförmigen Erscheinungen oder gar unregelmäßigen schwarzen Flecken. Wenn diese die Ablesung der Anzeigen nicht behindern ist das zwar nicht schön, aber kein Beinbruch. Wenn die schwarzen Flecken aber das ganze Display ausfüllen nehmen Sie besser vom Kauf Abstand, denn leider gibt es dafür keine Ersatzteile mehr.
  2. der berüchtigte „Abblendfehler“ liegt an einem altersbedingen Fehlfunktion/Trägheit des Abblendhebels (Verbindung Kamera-Objektiv). Während sich mit dem Abblendknopf Objektive problemlos bis zur kleinsten Blende abblenden lassen, schaft der Abblendhebel bei der Aufnahme nicht mehr den ganzen Weg und die Blende im Objektiv wird nicht ganz oder leicht zeitverzögert geschlossen. Dadurch kann es zu Fehlbelichtungen kommen. Um zu testen ob eine Kamera betroffen ist stellen Sie die Blende am Objektiv auf 16 oder 22. Beim Auslösen („B“) schauen Sie einfach von vorne in das Objektiv und können dort  erkennen wie weit sich die Blende tatsächlich schließt.

Am sichersten kaufen Sie alte Kameras natürlich bei Nikonclassics, denn hier gibt es neben guter Beratung auch ein Rückgaberecht. Alle Kameras und Objektive sind technisch geprüft und professionell gewartet. Und was nicht gefällt wird zurückgenommen.

Umfangreiche weitere Informationen zur Nikon F4 hier im Technical Guide.

11 Gedanken zu „Nikon F4 – das Arbeitspferd der Neunziger

  1. Karl Valentin

    Ironie des Schicksales folgend entschied ich mich damals gegen die Nikon F4 und kaufte noch eine der letzten produzierten Nikon F3 HP.
    Dabei hatte Nikon selbst für seine konservativen Traditionalisten alles richtig gemacht und anders als Canon sichergestellt das vorige Ausrüstung problemlos weiterverwendet werden konnte.
    Trotzdem würde ich die Nikon F4 als Meilenstein definieren der bedauerlicherweise etwas in Vergessenheit geraten ist.
    Aktuelle Filmneueinsteiger wenden sich mehr den klassischen manuellen mechanischen Spiegelreflexkameras zu was sich gravierend im Gebrauchtpreis wiederspiegelt.
    Eine Nikon FE2 oder FM2 ist teilweise weitaus teurer von einer FM3a ganz zu schweigen.
    Hier schlägt die Stunde des Schnäppchenjägers denn nie war es so günstig ein derartiges Hightech-Profigehäuse für so wenig Geld zu erstehen.
    Die Nikon F4 war der Auslöser für meinen Wiedereinstieg in die analoge Fotografie…

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  2. Karl Valentin

    Ein kleiner Nachtrag zum Nachdenken für jene Puristen die auf batterieunabhängige mechanische Kameras schwören – viele der rein mechanischen Verschusszeiten weichen nach Jahrzehnten des Gebrauchs oder Nichtgebrauchs (Vitrinenkameras) ziemlich vom Soll ab während eine Nikon F4 mit elektronisch gesteuerten selbstjustirenden Verschluss immer noch perfekt die Werkseinstellungen einhält !

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  3. Milan Duske

    Dafür lassen sich recht universelle Mechanikwerke deutlich einfacher warten und instandsetzen als modellspezifische Schaltkreise.
    Und solange man nicht mit Diafilm arbeitet ist es schließlich egal, ob es sich bei der 1000stel Sekunde tatsächlich um eine 700stel Sekunde handelt oder nicht 🙂

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  4. Karl Valentin

    @Milan
    Ich habe mir vor kurzem eine Mamiya RB 67 sowie eine Pentax 67
    beide Baujahr 1970 gekauft……ich bin sicher das mich beide überleben
    oder es zuvor keine Filme mehr geben wird !

    =)

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  5. Siegfried Lion

    Zum DP-20 Sucherproblem der F4: Der Markt in Deutschland scheint leergefegt zu sein. In Japan gibt es noch Sucher ohne fleckige Displays. Allerdings muss man die Verkäufer vorher dazu befragen. Nicht alle haben das Problem erkannt. Im zweiten Anlauf habe ich kürzlich einen fehlerfreien Sucher (über ebay aus Okayama) für meine F4s ergattert. Der Preis für den fehlerhaften Sucher wurde vom Verkäufer nach Reklamation sofort erstattet. Alle Japaner, mit denen ich kommuniziert habe, waren sehr an der Kundenzufriedenheit interessiert. Allerdings bin ich auf den Zollgebühren sitzengeblieben.

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    1. Nikonclassics Artikelautor

      Das Display-Problem betrifft leider nicht nur den leicht austauschbaren Sucher. Viel öfter ist leider das kleine Display im Kamerabody, das in das Sucherbild eingespiegelt wird betroffen.

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  6. Jürgen Schulte

    Das ist wohl die schönste aller Nikon Profikameras,gepflegte Exemplare gibt es heute
    ab ca 250€,das Bedinkonzept ist stark an die F301/F501 angelehnt!Es gibt allerdings
    nicht mehr viele Werkstätten die analoge Kameras vom Kaliber einer F4 reparieren können!

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  7. Wolfram Göz

    Guten Tag Zusammen !
    Seit gestern bin ich nun auch (fast) stolzer Besitzer einer F4s … warum nur „fast“ ???
    Die so gut wie neu aussehende Kamera mit früher SNr 211xxxx machte erstmal keinen Mucks …
    Nach viel gutem Zureden (+Isopropanol auf Wattestäbchen, alle Kontakte gereinigt, alle Schalter
    durchbewegt) ließ Sie sich davon überzeugen doch zu funktionieren, aber …: Sie geht einzig mit der
    ersten Generation AF-Objektive (Mitte/Ende 80er), nicht mit etwas neueren AF (90er), nicht mit AiS,
    und auch nicht ohne Objektiv … Däm …
    Zudem hat Sie „gelegentlich“ Probleme mit dem Filmtransport, insbesondere beim Einlegen eines Films,
    der Film wird erst nach 2-3maligem Drücken des Auslösers aus „1“ gezogen.

    Lange Rede, kurzer Sinn … ein Telefonat mit Nikon München gerade eben ergab lediglich, das es eine
    „unmodifizierte frühe Kamera“ handeln könnte, bei welchen Probleme aufgetreten sind … Mist …
    Hat hier irgendjemand Erfahrung mit dem Thema oder kennt jemanden der jemanden kennt ???
    Wäre sehr um Hilfe Dankbar, diese Kamera ist – zumindest optisch – die weit und breit schönste F4
    die auf dem Markt verfügbar war …

    Beste Grüße, Wolfram

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  8. Peter T

    Wir sind vor drei Wochen aus dem Afrika-Urlaub zurück und die F4 tat was sie tun soll. Dem Fotoladen in Kapstadt sei dank, dass die ersten zwei Rollen bereits am nächsten Tag entwickelt und gescannt waren und trotz anderer Kameras im Gepäck möchte ich die F4 nicht missen. Obwohl mit der 35-70 2.8 ein beträchtliches Gewicht zu schleppen war und die Staubbelastung auch sehr hoch war, sind die Bilder aus Südafrika, Lesotho und Namibia einfach wahnsinnig schön.

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  9. Thomas G

    Ich hatte Gerade das Glück eine wunderbare F4 mit Datenrückwand MF 23 und Batterieteil MB21 in nahezu neuwertigem Zustand aus ihrem Jahrelangen Vitrinendasein zu befreien und das zu einem sehr guten Preis unter 300,- . Ich durfte die Kamera vor dem Kauf auf Herz und Nieren Testen und muss sagen fantastisch. Das Teil ist ehute noch technisch hoch beeindruckend

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