Wer zum ersten Mal ein manuelles Objektiv in der Hand hat, ist oft erstaunt über die mechanische Präzision, mit der viele dieser Objektive gefertigt wurden. Der sanft gleitende Fokusring, mit dem präzise eingestellt werden kann. Die genau abgestimmte Dämpfung, die dem ganzen eine gewisse Sämigkeit gibt. Allerdings gibt es gelegentlich grosse Unterschiede, was die Leichtgängigkeit angeht. Wie kommt das?
In dem Helikoid genannten, meist mehrgängigen Gewinde, mit dem der vordere Teil des Objektives durch Drehung herausgeschoben wird, befindet sich ein Schmiermittel. Nicht irgendeins, sondern spezielles Helikoid-Fett mit genau abgestimmtem Dämpfungsgrad. Ausserdem muss es Wärme-und Kältetauglich sein, nicht Verharzen und Rumbröseln, und es soll da bleiben wo es ist und sich nicht etwa Inneren des Objektiv auf andere Teile verbreiten, wo es nicht hingehört. Dieses Fett ist aber einem gewissen Alterungsprozess unterworfen, wobei neben der Zusammensetzung auch die Art der Lagerung (kalt/warm, trocken/feucht), aber auch die Häufigkeit der Nutzung eine Rolle spielen. Das Schmiermittel kann im Laufe der Jahre zäh werden, dann wird der Fokusring sehr schwergängig. Oder es kann austrocknen, dann läuft der Fokus rauh und leicht.
Bei Nikonclassics werden alle Objektive daraufhin geprüft und gegebenenfalls demontiert, gereinigt und mit hochwertigem Helicoid-Schmiermittel versehen, damit sie weder zu schwer noch zu leicht laufen. Trotzdem gibt es immer noch eine gewisse Spanne in der Leichtgängigkeit, ebenso wie es dabei persönliche Vorlieben gibt. Als ich in den 80ern anfing, mit Nikon zu fotografieren, liebte ich ich die sehr leichtgängigen gebrauchten Objektive, die ich mir damals zulegte. Man konnte damit sehr fix scharfstellen, bei Reportagen ein Vorteil. Inzwischen mag ich es aber lieber etwas „sämiger“, um damit sorgfältig auf statische Objekte fokussieren zu können.
Viele meiner Kunden sind überrascht, dass die frühen Zoomobjektive oft einen sehr leichtgängigen Zoomring haben. Das betrifft zum Beispiel das 80-200/4,5 AI, das legendäre Traumobjektiv der siebziger Jahre. Mit diesen Linsen kreierten damals Fotografen wie Francisco Hidalgo den Zoom-Effekt, bei dem während der Belichtung die Brennweite verstellt wurde, um Bewegung vorzutäuschen (Photoshop gabs ja damals noch nicht…). Die Einring-Bedienung dieses Schiebezooms erforderte eine leichtgängige Einstellung, da ja Entfernung und Brennweite schnell verstellt werden sollte. Nikon baute dieses Objektiv so präzise, dass es kein Schmiermittel in den beweglichen Teilen brauchte. Erst spätere Versionen wurden etwas zäher abgestimmt, weil die Kunden bemängelten, das sich der Zoomring bei gekippter Kamera gern selbstständig machte.
Andere Objektive, insbesondere die Micro-Nikkore, neigen hingegen zu einer gewissen Schwergängigkeit. Das liegt daran, dass diese Typen über lange Gewindegänge verfügen, meist auch mehrere, zum Teil gegenläufige Helikoide haben, mit denen Linsengruppen gegeneinander verschoben werden. Das Schmiermittel darin braucht nur etwas zäh zu werden, schon läuft der Fokus relativ schwer. Dagegen hilft nur komplette Demontage und Neuschmierung.
Letztlich ist aber die Fokusleichtgängigkeit eine persönliche Geschmacksache. Der eine mag es gern etwas straffer, die andere etwas leichtgängiger. Wenn die bei Nikonclassics angebotenen Objektive sehr deutlich in die eine oder andere Richtung tendieren, wird dies in der Beschreibung erwähnt. Im Zweifel fragen Sie uns oder probieren es einfach aus!
Außerdem haben die “ Manuellen “ eine ordentliche Skala für die Hyperfokale Distanz . Bei den AF-Linsen gibt’s das nicht mehr 🙁
Interessant zu lesen.
Bietet Nikon classics eigentlich das nachfetten von Objektiven an (nicht unbedingt bei Ihnen erworben, aber schön (alt))?
Gruß Rolf Schmolling
Nein, für „externe“ Reparaturen und Service reichen meine Kapazitäten leider nicht.
Viele Grüße,
Norbert Michalke, Nikonclassics
Ein Body Nikon F4 mit Hochformatgriff schwebt mir fürs nächste Jahr auch noch vor.
Aber erst muss die Rente etwas steigen.
Tipp für meinen Vorposter (Objektiv):
https://www.kameraspezi.de/
Bin mit dessen Arbeit hoch zufrieden.
Ich habe das Problem der Leichtgängigkeit bei meinem Nikon Zoom-Nikkor 80-200/4 AIS. Leider kann der Kameraspezi hier nicht weiterhelfen, da er die benötigten Ersatzteile nicht hat bzw. besorgen kann. Vermute es liegt daran, dass Nikon die unabhängigen Kamerawerkstätten nicht (mehr) mit Ersatzteilen beliefern will. Kennt wer noch einen kompetenten Spezialisten, vorzugsweise im Rhein-Main-Gebiet, der hier den Fokus- und Zoomring wieder etwas „strammer“ machen kann?
Vielen Dank für diesen umfassenden und wahnsinnig gut recherchierten Beitrag. Bin selten so gut im Netz informiert worden.
P.S. Meine nagelneue XEEN 24mm Optik ist inzwischen als Garantiefall beim schmieren. War total zäh und schwergängig.
Die wurde ja dann wohl zu lange, oder zu schlecht gelagert?!?