F2 auf Speed: die Nikon F2H

ungleiche Schwestern: Nikon EM, F2S

ungleiche Schwestern: Nikon EM, F2S

1978. Reinhold Messner besteigt als erster Mensch den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät, Ministerpräsident Hans Filbinger muss wegen seiner Nazi-Vergangenheit zurücktreten und in Rom stirbt Papst Paul VI. Im gleichen Jahr präsentiert  die Firma Nikon eine extrem schnelle Kamera. Basierend auf dem F2 Titan-Gehäuse konstruierten die japanischen Ingenieure eine Spezialversion, die doppelt so schnell war wie die Serien-F2 mit Motor: maximal 10 Bilder pro Sekunde schaffte die schnelle Nikon F2H, das „H“ steht dabei – wer hätte es gedacht- für High Speed.

Der MB-100 benötigt 4 Akkus

Der MB-100 benötigt 4 Akkus

Angetrieben wird die High Speed-F2 durch einen modifizierten MD-2, den MD-100. Wie auch beim Kameragehäuse bestehen beim Motor einige Aussenteile aus Titan. Der nicht unerhebliche Energiebedarf wird durch zwei gekoppelte Batteriepacks des Typs MB-1 mit der Bezeichnung MB-100 gedeckt, die vier Akkupacks MN-1 benötigen. Dadurch stehen dem Motor 30 Volt zur Verfügung, die es ihm ermöglichen, einen 36er Film in nur 3,6 Sekunden durchzuziehen! Eine für damalige Verhältnisse unglaubliche Geschwindigkeit.

der feststehende Spiegel

der feststehende Spiegel

Bei dieser enormen Auslösefrequenz war keine Spiegelmechanik mehr in der Lage, die Spiegel exakt zu führen. Die F2H verwendet daher einen feststehenden, teildurchlässigen Spiegel, bei dem 65% des einfallenden Lichts zum Film gelangen und 35% zum Sucher reflektiert werden. Auch die Blendenmechanik der Objektive war damals nicht für den schnellen Zyklus des Öffnens und Schließens bei 10 B/Sek. ausgelegt. So benutzt die Kamera stets die eingestellte Arbeitsblende, zum Scharfstellen kann mittels Tastendruck aufgeblendet werden. Übrigens wurden Kameragehäuse und Motorantrieb im Werk aufeinander abgestimmt und optimiert: Ein Stempelaufdruck in der Rückwand zeigt die Seriennummern der zusammengehörigen Geräte.

eingestempelte Seriennummern von Body und Motor

eingestempelte Seriennummern von Body und Motor

Weggelassen wurden Funktionen, die bei einer reinen Sport-Kamera überflüssig sind: Selbstauslöser, T und B-Funktion des Verschlusses. Warum allerdings die 1/2000sec weggelassen wurde, ist mir schleierhaft. Der Auslöseknopf des Motors war nicht wie beim MD-2 abnehmbar. Auch eine Belichtungsmessung war nicht vorgesehen. Der normale Titan-Prismensucher lässt sich aber gegen einen Photomic-Sucher austauschen. Beim Messergebnis muss aber der halbdurchlässige Spiegel berücksichtigt werden. Dabei stellt sich allerdings stellt die Preisfrage: in welche Richtung muss die Belichtung korrigiert werden?

Gab es denn wirklich Fotografen, die diese hohe Bildfrequenz von 10 Bildern/Sek. brauchten? Neben der Analyse von Bewegungsabläufen im technisch-wissenschaftlichen Bereich bildete die Sportfotografie das Haupteinsatzgebiet, und auch da gab es durchaus unterschiedliche individuelle Motivationen. Ein Sportfotograf beispielsweise hat es damals so beschrieben: “Wenn ich für verschiedene Auftraggeber arbeite, kann ich jedem ein Bild vom entscheidenden Moment anbieten – ohne daß jeder genau das gleiche Foto bekommt. Dabei brauche ich eigentlich nicht 10 Bilder in einer Sekunde, sondern eher 3 Bilder in 1/3 Sekunde. Dafür bin ich dann auch bereit, 2 Kilo über den Platz zu schleppen“.

Eine Mär ist aber offensichtlich, dass es zwei Versionen der F2H gab. Die angeblich erste Version mit „T“ und „B“ auf dem Verschlusszeitenrad existiert nur auf ein paar Pressefotos; offenbar ist sie „nur“ ein Prototyp. Vielleicht hat man aber auch für erste Produktfotos einfach eine normale F2 umgewidmet? Ein echtes Exemplar dieses angeblich ersten Typs wurde jedenfalls nie gesichtet (für sachdienliche Hinweise bin ich allerdings immer empfänglich).

Heute ist die Nikon F2H jedenfalls eine absolute Rarität, denn insgesamt wurden von ihr nur wenige hundert Stück gebaut. Die meisten davon haben wahrscheinlich inzwischen das Zeitliche gesegnet oder stehen in Sammlertresoren. Kein Wunder, denn wer würde mit solch einem Unikum heute noch fotografieren wollen? Unlängst wurde bei Westlicht eine originalverpackte F2H für 6000,– EUR versteigert. Um so mehr freue ich mich, ein recht gut erhaltenes Exemplar anbieten zu können: bei Nikonclassics.

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