Nach langer Zeit mal wieder ein Vergleichstest verschiedener Nikon-Objektive. Diesmal sollen es die sogenanten „Normal“-Brennweiten sein. Schon vor einigen Monaten hatte ich damit angefangen, musste aber bei der Auswertung der Bilder feststellen, dass ich einige Fokuseinstellungen nicht genau genug vorgenommen hatte. Die elektronische Scharfstellhilfe im Sucher der D3 ist nämlich bei so lichtstarken manuellen Objektiven nicht immer genau genug, weil ein etwas zu grosser Bereich als scharf angezeigt wird (die Schnittbildsucher der alten Analogen sind da viel besser!). Diesmal habe ich deshalb einen etwas anderen Versuchsaufbau gewählt, um mittels Liveview und tethered shooting das Sucherbild vergrössert auf dem grossen Computermonitor zu sehen. Dort kann die Fokuseinstellung genauer beurteilt werden.
Zum Test stehen die folgenden Objektive:
Der Klassiker: Nikkor 50/1,4 AI, gebaut von 1977 bis 1984, in den letzten Jahren auch noch als AIS-Version. Ein siebenlinsiger Gauss-Typ mit Mehrschichtvergütung. Im November 1984 erschien ein optisch weiter verbessertes 1,4/50 AIS mit einem sehr kurzem Scharfstellweg zwischen unendlich und 45cm. Beide Versionen werden getestet. Dieses Objektiv wurde in grosser Stückzahl gebaut (AI und AIS fast 1,7 Million!!) und ist daher weit verbreitet.
Das 50/1,8 AIS gibt es in mehreren Versionen: Die „Langversion“, gebaut von 1978 bis 1985, erst als AI, dann als AIS-Ausführung. Wurde in etwas geringerer Stückzahl als das 1,4er gebaut (570.000)
Die „Pancake„-Version gibt es wiederum in verschiedenen Varianten, mit Gummi- oder Plastikfokusring sowie mit unterschiedlichen Hinterlinsenschutzringen. In einer mechanisch vereinfachten Variante und nur einfach vergüteten Linsen wurde es zum „Series E„-Objektiv, von dem es auch wieder zwei Ausführungen gibt. Allen „Pancake“-50ern ist gemeinsam, dass sie keine Blendengabel mehr haben, an den ganz alten Nikons (vor 1977) also nicht verwendbar sind.
Das 50/2 war das erste Nikkor für die Nikon F und hat sich in seiner Grundkonstruktion bis zur Einstellung der Produktion 1979 nicht verändert. Ein Sechslinser, der sich aufgrund seines fast symmetrischen Aufbaus auch gut für den Nahbereich eignen soll. Durch die bewußte Beschränkung auf eine relativ geringe Lichtstärke soll dieses Objektiv allerdings eine exzellente Leistung bis in die Ecken schon bei offener Blende zeigen…
Ein relativ seltenes Schmankerl ist das hochlichtstarke 50/1,2 AIS, ein relativ schweres Objektiv, das wie aus dem vollen gefräst wirkt. Es bietet noch eine halbe Blende mehr als das 50/1,4er, kostet aber mehr als das doppelte. Lohnt sich das?
Nun zu den Zoom-Objektiven: zunächst das berüchtigte 43-86/3,5 AI. Das non-AI-Vorgängerobjektiv, das schon 1963 in der Nikkorex Verwendung fand, gehört laut Ken Rockwell zu den miesesten Nikkoren überhaupt. Die hier getestete 11-linsige Neurechnung von 1975 soll aber deutlich besser sein. Wurde bis 1982 gebaut.
Das 35-105/3,5-4,5 ist ein bis heute sehr beliebtes Objektiv. Klein und handlich, dabei überaus solide. Das klassisches Schiebezoom mit Makrobereich bis 1:4 wurde von 1983 bis 2005 gebaut, ab 1986 auch in einer AF-Version.
Kommen wir jetzt zu den Autofokus-Objektiven: zunächst das beliebte und weit verbreitete 50/1,4 AF-D, das optisch mit dem alten AIS von 1984 identisch sein soll. Schauen wir mal…
Und das neue 50/1,4 AFS G mit Silent-Wave-Motor (SWM) für leises und schnelles Fokussieren. Es eignet sich auch für die Einsteiger-DSLRs Nikon D40 und Nikon D60, die keinen Autofokus-Antrieb in der Kamera haben. Dafür lässt es sich wegen des fehlenden Blendenringes nicht mehr an älteren analogen Nikon verwenden. Made in China.
Zum Vergleich noch das 15-linsige Drehzoom 28-85/3,5-4,5 AF, das es auch mit manueller Fokussierung gab. Über die optischen Leistungen kursieren verschiedene Ansichten. Wie gut ist es wirklich?
Und wieder mein Arbeitspferd, das 24-70/2,8 AFS G ED. Ein hochgezüchtetes, sehr teures und schweres (1.100 Gramm!) Profiobjektiv neuester Bauart, für Digitalkameras konstruiert. Mit allem, was moderne Ingenieurskunst vollbracht hat: Asphärische Linsen, ED-(Extralow Dispersion) Gläser, Silent-Wave-Autofokusmotor, Superintegrated Coating mit Nanokristall-Vergütung und elektronisch gesteuerte Blende. Wie schlägt es sich im Vergleich zu 30-40 Jahre älteren kleinen Festbrennweiten?
Die Testergebnisse:
Nun aber zu den Vergleichsfotos. Erstmal wieder das Testmotiv im Überblick. Bäume und ein Haus, etwa 40 Meter entfernt, diffuses Tageslicht. Die zwei Ausschnitte auf den folgenden Vergleichsbildern – eins Nahe der Mitte und eins am Rand – sind eingezeichnet.
Zunächst mal alle Objektive bei voller Öffnung:
Die Unterschiede zwischen den vier 1,4ern sind so minimal, dass sie kaum erwähnenswert sind. Das hätte ich nicht erwartet. Nun aber das superlichtstarke 1,2/50 AIS:
Es zeichnet zwar in der Mitte etwas weicher als das 1,4er, dafür am Rand aber schärfer. Wohlgemerkt bei voller Öffnung! Abgeblendet auf Blende 2 sieht es dann so aus:
Knackige Schärfe bis an den Rand. Zum Vergleich jetzt mal die etwas weniger lichtstarken 50er:
Erstaunlich! Bei voller Öffnung zwar etwas weniger kontrastreich aber in der Mitte schärfer als das abgeblendete 50/1,2 AIS! Aber auch die 1,8er zeigen sich in guter Verfassung:
Auch hier sind die Unterschiede sehr gering, einzig fällt beim „Pancake“ die etwas bessere Randschärfe auf. Das Series E zeigt kaum Unterschiede, allerdings ist das genaue Fokussieren durch die Verwendung von Kunststoff im Helicoid etwas fummeliger. Die Zoom-Objektive hingegen unterscheiden sich deutlich:
Bei dem 43-86 ist die Schärfe in der Mitte befriedigend, lässt aber zum Rand deutlich nach.
Überraschend aber das 35-105: Schon bei voller Öffnung gute Schärfe in der Mitte, die zum Rand kaum nachlässt:
Nun die Autofokus-Zooms, zunächst das 28-85:
Eher enttäuschend. In der Mitte mässige, zum Rand stark nachlassende Schärfe.
Das teure Profi-Zoom überzeugt hingegen durch knackige Schärfe auf Festbrennweitenniveau, die zum Rand nur minimal nachlässt.
Die oben stehenden Bilder sind wie gesagt alle (bis auf das 50/1,2 AIS @2) bei voller Öffnung entstanden. Die man ja im Fotografenalltag selten benutzt, es sei denn man legt keinen Wert auf grösstmögliche Schärfe und möchte stattdessen eine kleinstmögliche Schärfentiefe erzielen. Zum Vergleich deshalb hier noch ein paar Ergebnisse mit 2 Stufen Abblendung. Dabei schrumpfen die Unterschiede weiter zusammen: Die 50mm-Festbrennweiten sind bei Blende 4 praktisch alle gleich gut und zeigen eine gleichmässige Schärfe:
Die Ergebnisse bei allen anderen 50mm-Festbrennweiten sind quasi identisch. Allerdings gibt es bei den Zooms deutliche Unterschiede:
Auch hier überrascht das kleine 35-105 wieder mit hervorragender Schärfe bis zum Rand und erreicht Festbrennweitenniveau. Das neuere 28-85 ist deutlich schlechter!
Fazit:
Die Unterschiede in der Schärfeleistung sind bei 50mm-Festbrennweiten geringer als landläufig angenommen, und wenn überhaupt dann nur bei voller Öffnung wahrnehmbar. Selbst das billige Series-E-Objektiv schlägt sich wacker. Bei Zoomobjektiven gibt es da schon grössere Differenzen. Erstaunlich, dass nicht automatisch die neueren Objektive auch die besseren sind (siehe 28-85AF). Mit einer Festbrennweite ist man aber immer auf der sicheren Seite. Jedoch sind für scharfe Bilder auch andere Faktoren zu beachten, insbesondere sehr genaue Fokussierung und verwacklungsfreies Auslösen zum Beispiel. Bei der Auswahl eines geeigneten Objektives stellen sich natürlich noch ganz andere Fragen. Eigenschaften wie z.B. die Verzeichnung oder Reflexfreiheit habe ich hier gar nicht erst getestet, auch die Tatsache, dass die alten Ai- und AIS-Nikkore wesentlich solider gebaut sind als die meisten AF-Zooms bleibt hier mal aussen vor. Letztlich muss man sich ja bei der Objektivwahl immer der Frage stellen: welche Kompromisse hinsichtlich Gewicht, Größe, Preis, Vielseitigkeit und Abbildungsleistung bin ich bereit einzugehen?
Die meisten der getesteten Objektive können sie übrigens bei Nikonclassics käuflich erwerben; wenn Sie Fragen dazu haben, kontakten Sie mich bitte!
Die Testergebnisse im Hinblick auf das Nikkor Ais 35-105mm kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen; habe es in den 90-er Jahren gebraucht gekauft und bin immer wieder positiv überrascht, sowohl von der optischen wie von der mechanischen Qualität
Ich habe eine Anmerkung zu den Testmotiven: Blätter bewegen sich ja schon bei kleinsten Luftzügen. Diese können sich von Aufnahme zu Aufnahme ändern, Inwiefern sind die Aufnahmen dann vergleichbar?
MfG
Stephan
Stephan, die Bäume waren ca. 40m weit entfernt, da spielen die paar Zentimeter, die sich die Blätter bewegen könnten keine Rolle. Bewegungsunschärfe kann wegen sehr kurzer Belichtungszeit ebenfalls ausgeschlossen werden. Und die Häuser haben sich mit Sicherheit nicht bewegt 😉
Ja, ich kann alle Aussage auch bestätigen. Insbesondere bezüglich des Ais 35-105mm. Habe ich sehr günstig gekauft und war total erstaunt über die mechanische Qualität und die Abbildungsleistung. Das bin ich bis heute, auch an meinen digitalen Nikons…
Vermisst habe ich nur das 35-135mm, das aus meiner Sicht den anderen in nichts nachsteht.
Schöne Gegenüberstellung, aber Schärfe ist nicht alles (wer schaut sich schon eine 1 : 1 – Vergrößerung am Bildschirm an, Absolute Schärfe wird überbewertet); leider fehlen mir für einen Aussagefähigen Vergleich Angaben zu Vignettierung, Farbsäumen – wie Du schon selbst schreibst.
Ralf, du hast vollkommen Recht. Mir ging es aber hier erstmal darum, zu zeigen, dass die alten Linsen auch an Digitalkameras eine gute Figur machen. Zudem lassen sich Vignettierung und chromatische Aberration (Farbsäumne) leicht in der Bearbeitung entfernen.
Hallo,
vielen Dank für diese Infos!
Bestätigt teilweise meine Tests. Gerade auf D810 ist das Pancake von 5.6 bis f11 eine super Sache! Teilweise sogar am Rand besser als die aktuelle 50mm 1.8G! Allerdings ist das 24-70 bei 50mm auch extrem gut 🙂
Gibt es von euch eine Empfehlung, welches „alte“ Nikkor mit den 36mp auch bei Offenblende gut zurecht kommt? Würde mich sehr über Tips freuen!
Danke!
LG Mike
Das Nikkor 50/1,8 AIS „Pancake“ ist ein echter Geheimtip. Ich bevorzuge es über meine drei andere Standard-Objective; das Nikkor 50/1.2 AIS, 50/1,4 AFS G und die ‚kleine‘ Schwester, das 50/1.8 Serie-E Pancake.
Das Pancake Nikkor ist sehr scharf, hat eine exzellente Kontrastübertragung und ist auch bei „available light“ sehr gut einsetzbar. Selbst bei offener blende gibt es wenig Überstrahlung und ist die Auflösung von Farben erstklassig. Die Serie-E Pancake ist das Nikkor Pancake sehr ähnlich, zeichnet dennoch etwas weicher, wahrscheinlich wegen die einfachere Vergütung.
Das Nikkor 50/1.8 Pancake zusammen mit der D700 ist eine magische Kombination. Das Handling ist hervorragend und die Bildqualität erstaunlich. Mann treft da anscheinend auf einen „Sweetspot“ wobei es zu einem sehr guten Kompromiss komt zwischen Schärfe, Kontrastübertragung und Farbe-Bilanz.
hallo,
Setzt ihr beim Pancake eine streulichtblende ein?
Wenn ja, welche könnt ihr empfehlen?
Ich überlege ein 50er AI oder Ais anzuschaffen und hatte zunächst das 50/1,8 Long nose im Visier, weil ich da auf eine streulichtblende verzichten könnte, oder?
Es soll so kompakt wie möglich sein, bei guter Qualität.
Habe die D750 und ein AI/Ais macht dich da ganz gut, hoffe ich.
Axel
Hallo, das 50/1,8 in der älteren, längeren Bauweise braucht nicht unbedingt eine Sonnenblende, schaden kann sie aber nicht. Beim Pancake sollte man aber eine verwenden. Passen tut HS-9, HS-11 (Metall) oder HR-1, HR-2, HR-4 (Gummi). Siehe auch hier.
Grüße,
Norbert Michalke, Nikonclassics
@Nikonclassics
Im November 1984 erschien ein optisch weiter verbessertes 1,4/50 AIS mit einem sehr kurzem Scharfstellweg zwischen unendlich und 45cm.
Hallo,
haben Sie Quellen für diese Informationen?
Nach meiner Informationen sind die beiden Versionen AI und AI-S bis auf den kurzen Scharfstellweg optisch gleichwertig/identisch. Möglicherweise wurde die Vergütung bei der AI-S Version späterer Seriennummern verbessert (nur Vermutung). Ich konnte dazu leider nichts finden. Über Ihre Information würde ich mich sehr freuen. Vielleicht haben Sie auch eine Quelle?
Nach Spezifikation haben AI und AI-S Version beide 7 Elemente in 6 Gruppen.
Gruss,
@Michael: Quelle: Peter Brazcko, „Das Nikon-Handbuch“, Seite 4-42. Er gibt aber keine Seriennumer an, ab der diese Verbesserung laufen soll. Die AIS-Version gab es auch schon ab September 1981 ab Seriennummer 5100001.
Gruß, Norbert Michalke, Nikonclassics
Hm..ein kleines Problem habe ich mit den Testergebnissen:
Das Nikon AF Zoom-Nikkor 28-85/3,5-4,5N
kommt bei Ken Rockwell und in Ihrer Produktbeschreibung im Shop recht gut weg.
Hier im Vergleichstest fällt es aber sowas von durch…vor allem gegen das 35-105er
welches im Shop ähnlich bepreist ist.
So ein wenig ist meine Welt aus den Fugen.
Was habe ich nicht richtig verstanden?
Gruss,
F.-A.S.
Ken Rockwell hat eine Meinung aber oft keine Ahnung.
Nachzulesen hier: https://dirkmertens.de/2012/10/28/ken-rockwell-fakten/
Zudem gibt es auch bei industrieller Serienproduktion einen gewissen Grad
an Qualitätsstreuung. Betrifft das zudem gebrauchte Artikel kommen auch
versteckte Beschädigungen durch Stoß oder Fall verursacht hinzu die optische Systeme dejustieren können – sowas erklärt konträre oder sich wiedersprechende Tests oder Erfahrungen.
Hey cooler Test, danke!
Ich selbst plage mich gerade mit der Entscheidung, wieviel werde ich gleich dem Verkäufer eines gebrauchten Nikon AF 50 mm, 1:1,4 bieten? Vor 3 Monaten erwarb ich ein AF 1,8/50mm für 45€, was zugegeben unverschämt günstig war, aber dazu sollte man bedenken, das ich wieder einen Monat zuvor ein 1.8/50mm MF AIS für 40€ verkauft habe. Ja wirre Sache – ich hatte bis dahin Reste aus meiner analogen Zeit, das meiste verkauft und danach nur wenig fotografiert, daher nur ne D5100 – die kann mit den alten analogen, und den alten AF-Objektiven nicht so gut. Kaum hatte ich das MF 1,8/50mm nach 20 Jahren Besitz verkauft, habe ich es vermisst. Und – Tata – fand ich ne D300 sehr günstig im Netz, und die kann sehr gut mit analogen und allen AF-Objektiven aller Zeiten. Mein MF Sigma Mini-Wiode 2,8/28mm wurde plötzlich zum „Immer-Drauf“, weil es bei der D300 sowohl mit Zeitautomatik und ISO-Automatik gut funktionierte, und bei entsprechendem Licht auch zum Fix-Fokus wird, all das geht bei der D5100 nicht.
Und jetzt, 20 Jahre später steht wieder die uralte Frage für mich im Raum – lohnt es sich fotografisch 200€ auszugeben, um ein Objektiv zu erwerben, das man schon hat (Brennweite, etc.) nur um nen halben Lichtwert zu gewinnen? Ist die Freistellung vom Hintergrund 1,4 versus 1,8 wirklich 200€ wert, reisst das was kreativ im Verhältnis?
Hätte ich gar keine Festbrennweite, würde ich sicher eine haben wollen – aber 1,8 oder 1,4 (geschweige 1,2 … 0,9) macht mich das kreativer?
@ Eckbert,
„Und jetzt, 20 Jahre später steht wieder die uralte Frage für mich im Raum – lohnt es sich fotografisch 200€ auszugeben, um ein Objektiv zu erwerben, das man schon hat“
Wer soll Ihnen diese Frage beantworten?
Wenn Sie bisher die höhere Lichtstärke nicht benötigt, bzw. vermißt haben dann kennen Sie die Antwort.