Hat Ken Rockwell Recht? Das Zoom-Nikkor 80-200/4,5 AI

Wenn es um die Nikon-Objektive der späten siebziger Jahre geht, hat sich ja allmählich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Nikon da hervorragende Festbrennweiten gebaut hat. Wie aber sieht es mit den Zoom-Objektiven aus dieser Zeit aus? Der umstrittene Nikon-Guru Ken Rockwell schwärmt ja sehr für das legendäre Traumobjektiv der siebziger Jahre: das Zoom-Nikkor 80-200/4,5N AI: „Es ist eines der 10 besten Nikon-Objektive, weil es superscharf ist und solider gebaut als alle heutigen Nikon-Linsen. Es ist Nikons leichtestes Profi-Telezoom aller Zeiten“.

DSC_1405Das klingt jetzt doch etwas übertrieben, deshalb wollte ich es jetzt mal genau wissen. Die heutigen hochauflösenden Digitalkameras stellen ja hohe Ansprüche an die Objektive (ob diese hohen Auflösungen wirklich nötig sind, darüber lesen Sie hier mehr). Ich montierte es also mittels eines Sony-Nikon-Adapters an die  Sony A7 mit 24 Megapixeln, und machte eine paar Testbilder. Und ich erlebte eine Überraschung: Der Mann hat Recht!

Schon bei offener Blende zeigte das Objektiv eine (sorry..) hammermäßige Schärfe, die sich beim Abblenden nur noch unwesentlich steigerte (wie auch…?). Die große Überraschung war auch, dass diese Schärfe bis zu den äussersten Bildrändern kaum nachliess. Damit hatte ich nicht gerechnet, denn den Bohei, der um dieses Objektiv gemacht wurde, habe ich nie verstanden. Allerdings beschrieb es auch schon damals die Zeitschrift Modern Photography als „das beste Vario-Objektiv, das wir jemals getestet haben.“ Auch die deutsche Photo stellte fest: „Das Zoom hat die Abbildungsleistung einer ausgezeichneten Festbrennweite“.

Ich muss an dieser Stelle auch zugeben, dass ich mir damals, als ich in den Achtzigern als junger Magazinfotograf unterwegs war, das Nikon-Zoom nicht leisten konnte. Wegen der höheren Lichtstärke gab ich einem 2,8er Telezoom von Tokina den Vorzug. Und ärgerte mich stets über dessen höchst mittelmässige Abbildungsleistung.

DSC_1413

Erkennungszeichen: der rechteckige Linsenschutz.

Aber zurück zu dem Nikkor. Gebaut wurde das Zoom-Nikkor 80-200/4,5N AI von 1977-1981, über 150.000 Stück wurden damals produziert. Es ist die Weiterentwicklung des äusserlich sehr ähnlichen Vorgängers Zoom-Nikkor 80-200/4,5 AI von 1969 mit 15 Linsen. Die neuere und optisch noch etwas  leistungsfähigere Version mit dem „N“ (New) hat nur noch 12 Linsen und ist etwas leichter. Sie lässt sich am einfachsten erkennen an dem rechteckigen Streulichtschutz an der Hinterlinse. Beide haben 52mm Filtergewinde, wie auch viele andere Nikon-Objektive dieser Zeit. Das Nachfolgemodell mit Lichtstärke 1:4 und AIS-Blendenmechanik hatte dann ein 62mm Filtergewinde und war etwas schwerer.

Nun aber zu den Testbildern: zunächst ein Übersichtsbild bei 80mm Brennweite, mit den eigezeichneten Ausschnitten der folgenden 100%-Bilder. Die Fotos entstanden mit komplett offener Blende 4,5!DSC07362a
und nun die Ausschnitte in 100% (bedenken Sie bitte, daß das Bild je nach Monitorauflösung entsprechend gross wäre, bei einem typischen 20- bis 30-Zoll Computermonitor ca. 1 x 1,5 Meter)auschnitt2_80ausschnitt80

 

Und der Vollständigkeit halber hier noch ein Ausschnitt mit 200mm-Einstellung:ausschnitt_200

Wie gesagt, das ist die Objektivleistung bei voller Öffnung! Abgeblendet wir es noch einen Hauch besser. Bitte beachten Sie aber, dass das natürlich kein wissenschaftlicher Testbericht ist, der strengen Kriterien standhält. Die Bilder sollen lediglich zur Illustration dienen, um einen Eindruck von der sehr guten Schärfeleistung dieses alten Objektives zu bekommen.

Hinzuzufügen ist noch, daß sich auch die Verzeichung, die meist bei Zoom-Objektiven auftritt, beim Zoom-Nikkor 80-200/4,5N AI nur in sehr geringem und kaum sichtbaren Maß auftritt. Das ist anders als bei den heutigen Plastik-Amateur-Objektiven, bei denen eine oft starke Verzeichnung in Kauf genommen wird, da man sie ja nachträglich in der Bildbearbeitung korrigieren kann. In der analogen Zeit war das nicht möglich, deshalb sind bessere Zooms aus dieser Epoche auch auf höchstmögliche Verzeichnungsfreiheit korrigiert.

Noch eine Anmerkung zur Fassung: Viele meiner Kunden sind überrascht, dass die frühen Zoomobjektive oft einen sehr leichtgängigen Einstellring haben. Mit diesen Linsen kreierten damals Fotografen wie Francisco Hidalgo den Zoom-Effekt, bei dem während der Belichtung die Brennweite verstellt wurde, um Bewegung vorzutäuschen (Photoshop gabs ja damals noch nicht…). Die Einring-Bedienung dieses Schiebezooms erforderte eine leichtgängige Einstellung, da ja Entfernung und Brennweite schnell verstellt werden sollte. Nikon baute dieses Objektiv anders als heute komplett aus Metall und so präzise, dass es kein Schmiermittel in den beweglichen Teilen brauchte. Erst spätere Versionen wurden etwas zäher abgestimmt, weil die Kunden bemängelten, das sich der Zoomring bei gekippter Kamera gern selbstständig machte.

Fazit: Festzustellen ist, dass es sich beim Zoom-Nikkor 80-200/4,5N AI um ein mechanisch und optisch aussergewöhnliches Objektiv handelt, dass durchaus heutigen Schärfeansprüchen gerecht wird. Die manuelle Fokussierung erfordert zwar etwas Übung, belohnt aber mit sehr guten Ergebnissen. Verwendbar an allen analogen Nikons, diesen digitalen sowie Systemkameras mit entsprechendem Adapter. Und mit etwas Glück bekommen Sie bei Nikonclassics noch ein schönes Exemplar.

16 Gedanken zu „Hat Ken Rockwell Recht? Das Zoom-Nikkor 80-200/4,5 AI

  1. Blandyna Bogdol

    Hallo,

    also, ich benutze gerne und oft die alten und mittelalten Nikon-Linsen und bin absolut zufrieden. OK, was hin und wieder fehlt, ist der Bildstabilisator, aber… Sonst bin ich meistens sehr zufrieden und Ken Rockwell hat oft Recht. An meinem Vollformat machen sind die Linsen prima.

    Warum also was anderes nehmen, als eine schöne alte Linse mit toller Haptik, die man heute kaum bekommt.

    Grüße
    Blandyna

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  2. Randle P. McMurphy

    Hallo Herr Michalke,
    ich kann Ihre Ausführungen uneingeschränkt bestätigen.
    Dabei bleibt es sich gleich ob es sich um eine der 4,5/80-200 Versionen oder dessen Nachfolger handelt,
    die optische Leistung und die außerordentlich wertige Mechanik ist beispiellos !
    Selbst das als Serie E als Billigalternative auf den Markt geworfene 4,0/70-210 ist grandios.
    Danach erscheinen einem alle aktuell verfügaren Autofokusobjektive als leichtzerstörbare Plastikbecher.

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  3. Lili Arnold

    Hallo Herr Michalke,
    Ich habe eine Frage, und zwar können sie mir sagen, ob Ich auf dem Markt noch Filme für eine Nikon F801s bekomme, und wenn ja, welche das wären.
    Vielen liben Dank,
    Lili Arnold

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  4. Daniel Casper Freiherr von Lohenstein

    Na super, da will der Herr Michalke jetzt mehr Geld verdienen. Darum lobt er nun dieses Zoom in höchsten Tönen. Bisher kostet es in der Bucht nur um die 20 Euro, maximal. Durch Artikel wie die obigen wird sich das dann ändern. Die Zeiten, in denen man eine FM2n für 60 Euro mit einem 3,5/55 und einem 4,5/80-200 nachgeschmissen bekam für weitere 50 Euro sind wohl endgültig vorbei. Beide Optiken zählen wohl mit zum besten, was man von Nikon bekommen kann, ideal für analoges FX. Gut, dass ich vier 55er und ein 80-200 sowie zwei 75-150 E habe, sowie insgesamt 240m KB-Film im kühlen Keller …

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  5. Randle P. McMurphy

    Wieder einmal habe ich es nicht geschafft der Versuchung zu wiederstehen
    und ein auf AI konvertiertes Nikkor O 2,0/35 hat den Weg an meine D700 gefunden.
    Ausgepackt – Objektivdaten über´s Kameramenue eingestellt und losfotografiert…..

    Es ist unbeschreiblich welche optische Leistung damit immer noch möglich ist
    und ich kann nur jedem Fotografen raten diese alten Optiken zumindest einmal auszuprobieren !

    Haptisch und Mechanisch sind diese Objektive unerreicht und für mich gibt es da bis Heute keine Alternative !

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  6. Stefan

    Hallo,
    und Danke für den Bericht 🙂
    Sind die 80-200/4 AI-S denn vergleichbar von Schärfe/Abbildungsleistung?? Sollten doch aus fast dem selben Produktionszyklus sein, oder?? Ein bißchen mehr Blende ist ja immer schön 🙂

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    1. Karl Valentin

      Lichtstärke belastet den Rücken und den Geldbeutel.
      Digital lässt sich das anders als bei Film zudem bei schwachem Licht
      wunderbar ausgleichen.
      Ein Grund weshalb ich damals auch solche Brummer wie das Nikkor
      1,8 105 verkauft habe und Heute mit dem kleineren und kompakteren
      2,5 105 fotografiere.

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  7. Jan-Henrik

    Sehr erfreulicher Bericht – denn ich besitze dieses Objektiv. In analogen Zeiten war es – zusammen mit dem super kompakten 3,5/20 – meine Standardausrüstung für die heiß geliebte FE2, für die Reisefotografie einfach ideal. Super Ergebnisse bei minimalem Platzbedarf und nicht sehr auffällig.

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  8. bruno neurath-wilson

    Danke für diesen Bericht – genau diese Infos habe ich gesucht. Mich interessiert jetzt aber bitte noch, welchen Adapter Sie benutzt haben. Ich habe auch noch reichlich gute alte Nikkore und möchte sie an der Sony A7 gerne verwenden

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    1. Nikonclassics Artikelautor

      Ich habe verschiedene im Fachhandel erhältliche Adapter probiert, die Unterscheide sind marginal. Einige verfügen aber über eine Funktion zum auf- und abblenden des Objektives. Diese kann man auch für „G“-Nikkore verwenden.

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  9. Sony A7 mit Nikkoren

    Ich habe eine A7 mit Nikkoren (pre-Ai, Ai und Ai-S). Meine Empfehlung nach vielen tausenden Bildern mit manueller Fotografie: Keine A7, sondern die A7II, bzw. A7III, oder die RII + RIII Ausführungen. Der IBIS ist enorm wichtig. Nicht nur um die Belichungszeit unglaublich zu verlängern ( wir erinnern uns an die Reziprokregel, die damit ausgehebelt ist. 50mm kann nun locker mit 1/8s aus der Hand fotografiert werden), sondern vor allem, um bei Verwendung von Tele-Objektiven (ab 85mm), ein ruhiges Sucherbild zu haben, wenn die Lupe aktiviert ist. Die Zitterei ohne IBIS mit 135mm oder 200mm Brennweite ist so stark, daß eine Fokussierung bei Lupe 11,7fach zum Glückspiel wird. Aus der Hand klappt es sogar mit 500mm, wie ich ausprobieren konnte. Das Menü erlaubt die Einstellung bis 600mm Brennweite.
    Dabei verwende ich einen K+F Adapter (ca. 20€). das Auflagenmaß ist geringfügig zu kurz (beim 17mm UWW wird Unendlich schon bei der 1.5m Markierung erreicht), könnte aber noch unterlegt werden. Problembehafteter sind aber Adapter, bei denen Unendlich gar nicht erreicht wird. Meistens Fertigungstoleranzen und grund für einen Umtausch. Es empfiehlt sich ein Tuning mit Teleskoplack, um die Innenreflektion wirkungsvoll zu dämpfen (das machen die sw eloxierten Innenseiten der Adapter nicht).
    Eine Quelle hierfür findet sich hier:
    http://www.dslr-forum.de/showthread.php?t=1772892

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    1. Karl Valentin

      Eine Belichtungszeit von 1/8 aus der Hand erscheint mir trotz all der verbauten Technikgimmicks irgendwie unglaubwürdig was genau kann man(n) damit fotografieren das vom Stativ nicht wesentlich sinnvoller fotografiert werden könnte ?
      Personen sind nach meinen Kriterien schon teilweise ab 1/125 unscharf selbes gilt natürlich auch für viele anderen mobilen Objekte ?

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  10. Randle P. McMurphy

    Ich nutze analoges IS schon seit 30 Jahren man(n) nennt es Stativ.
    Unerläßlich auch wenn solche Knaller wie das Nikkor 1,2/50 bzw. 1,2/55 bei Offenblende
    zum Einsatz kommen sollen.
    Durch Zufall bin ich an ein solches Kleinod geraten und es ist inzwischen mein bevorzugtes
    Portraitobjektiv geworden.
    Einfacher als mit dem aktuell verfügbaren Live View geht´s eigentlich nicht mehr, wobei mich
    die Lupensucher für die Nikon F3/4 auch einmal reizen würden es Analog zu versuchen !

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  11. Karl Valentin

    Sicherlich war Heute wie damals eine Lichtstärke von 4,5 nicht gerade ein Statussymbol nur ehrlich gesagt stöhnt es den Praktiker wenig so lange es möglich ist das Objektiv mit erstklassigen Ergebnisssen schon Offenblende verwenden zu können und ich bin mir sicher die Nikon Konstrukteure haben sich hierbei von dem Ziel gesetzt das Bestmögliche mit dem realistischen Möglichen zu verbinden.
    Es gibt ja auch ein 2,8 aus dieser Zeit welches selten und kaum bezahlbar wohl kaum solch ein wirtschaftlicher Erfolg geworden ist mehr ein Hinweis „sowas können wir auch!“.
    Persönlich bevorzuge ich leichtere und handlichere Festbrennweiten habe mir aber vorgenommen diesem unterschätzten Kleinod ebenfalls eine Chance zu geben !

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  12. Laurenz

    Ich habe dieses Objektiv auch und kann das oben Geschriebene voll und ganz bestätigen. Es mag für die AF-verwöhnte Generation etwas gewöhnungsbedürftig sein – insbesondere weil Zoom und Fokus extrem leichtgängig sind und es etwas Geschicklichkeit erfordert, um die Scharfeinstellung zu behalten (ich halte den Zoom-Ring mit einem Finger fest); aber es ist in der Tat eines der besten Nikon-Zooms aller Zeiten, wenn nicht gar das beste überhaupt. Ich verwende es an einer D3x und D300 und mache mit ihm atemberaubende Fotos, die an Schärfe, Kontrast, Ausleuchtung und Klarheit ihresgleichen suchen können. Vor allem die D3x kann die Stärken dieses Objektivs aus der Reserve locken, es ist sagenhaft.
    Verzeichnung praktisch gleich Null, Vignettierung quasi keine, Farbfehler auch nicht.
    Davon können sich andere Zoom-Objektive des Herstellers scheibenweise etwas abschneiden.

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